Eröffnung der Ausstellung „Siri Pasina ‘Traumbilder’“ – 3.11.2012, Haus Peters
Siri Pasina stammt aus Italien; geboren in Monza, zum Studium in Mailand und vor ihrem Umzug nach Deutschland zuletzt wohnhaft am Comer See. Seit 2007 lebt die Künstlerin und Philosophin – sie hat tatsächlich sowohl an der Kunstakademie als auch der Staatlichen Universität Mailand in zwei Disziplinen promoviert – in Husum.
Heute arbeitet sie vorwiegend als Malerin, bevorzugt dabei Mischtechniken, Öl, Aquarell und Pastellkreide.
Im Haus Peters zeigt sie nun „Traumbilder zu Theodor Storm“, aber auch solche zu anderen großen Autoren wie Thomas Mann und Goethe. Die Arbeiten stammen aus dem Zeitraum 2008-2011.
Dies als Fakten sozusagen vorweg geschickt…
Wie kam es nun dazu, dass Siri Pasina den künstlerischen Weg zu diesen Autoren, allen voran Storm fand?
Als Tochter eines Musikers waren die schönen Künste schon immer ihre Begleiter. Und spätestens in ihrer Doktorarbeit fasste sie ihre Erkenntnisse über das Zusammenwirken verschiedener Sinneseindrücke zusammen – es ging dort um das Phänomen der Synästhesie; in diesem Kontext schlug sie Brücken zu genialen Künstlern wie Gotehe, Kandinsky, Wagner, Joyce (um nur einige wenige zu nennen), um die Idee des Gesamtkunstwerks zu analysieren.
Diese Ausflüge in die verschiedenen Disziplinen wie Philosophie, Literatur, Musik, Psychologie sensibilisierten sie nach und nach für eine besondere Art der Wahrnehmung, die sich schließlich auch in ihren eigenen künstlerischen Arbeiten widerspiegelt.
Die Begegnung mit Storm aber war beinahe ein Zufall: Auf der Suche nach einer Wohnung in der neuen Wahlheimat Husum wohnten Pasina und ihr Mann in einer Ferienwohnung, in der sich zufällig ein Sammelband mit Stormschen Werken fand. Eine gute Gelegenheit, der Tristesse des Husumer Dauer-Graus im Winter zu entgehen – und der Auslöser für eine intensive Beschäftigung mit dem Autor und der Persönlichkeit Storms.
Storm wurde sozusagen zum Türöffner: Für ein Leben in Husum, für das Erlernen und Perfektionieren der deutschen Sprache und für ihre künstlerische Arbeit.
Binnen kurzer Zeit wurde sie Fachfrau für Storm, immer eng auf Tuchfühlung und Diskussion mit Stormforschern (in Husum sitzt man ja quasi an der Quelle), von denen ihre Arbeiten ja auch als erstes gewürdigt wurde. 2008 wurde nämlich eine erste Serie von Bildern zuTheodor Storm auf der Jahrestagung der Theodor-Storm-Gesellschaft in Husum vorgestellt.
- Am Rande sei übrigens erwähnt, dass Pasina zusammen mit ihrem Mann und Übersetzer Tobias Saabel Gedichte von Storm ins Italienische überträgt! -
Egal, ob Siri Pasina nun Texte und Gedichte von Storm oder von Mann oder Goethe zur Grundlage ihrer Bilder wählt, es geht immer eine intensive Beschäftigung mit dem Text und seinen Interpretationsmöglichkeiten, dessen Hintergründen und der Biographie des Autor voraus. Erste Ideen entstehen aber bereits direkt beim Lesen – hierbei verwandelt sich der Text vor dem geistigen Auge der Künstlerin bereits zu Szenen, nimmt Gestalt an, verwandelt sich quasi vom Wort zum Bild.
Ergänzt durch literaturwissenschaftliches, philosophisches, bisweilen auch mythologisches Hintergrundwissen wird dann das Bild erschaffen – in der für Pasina so typischen Form- und Farbsprache.
Siri Pasinas „literarische Bilder“ sind ungewöhnlich; denn es sind sozusagen Illustrationen im engsten Wortsinn.
Seit dem 18. Jahrhundert hat sich in der Kunst das entwickelt, was man als Literaturillustration versteht. Das begann mit bekannten Namen wie etwa Gustave Doré oderLudwig Richter, geht im „Art Nouveau“ weiter mit Künstlern wie Heinrich Vogeler oder Alfons Mucha… bis heute wird die Kunst gepflegt und letztlich sind auch Kinderbücher, also: Bilderbücher, nichts anderes als illustrierte Literatur.
Nun ist den typischen Literaturillustrationen zu eigen, dass sie Szenen aus Romanen, Erzählungen etc. ins Bild setzen… meist ist für den Betrachter dabei deutlich zu erkennen, um welche Passagen es sich jeweils handelt. Man kennt das z.B. auch von Bibelillustrationen – die Szenen sind für jeden sofort zu entschlüsseln, der den Text kennt.
Kehren wir aber zurück zum Wortursprung: das zugrundeliegende Verb ist das lateinische „illustrare“ – und das heißt wörtlich so viel wie „erleuchten, erklären, preisen“.
Und das ist genau das, was Siri Pasina mit ihren Bildern macht: Sie erhellen den literarischen Text, erklären ihn bisweilen besser als es ein Literaturwissenschaftler könnte und „preisen“, also würdigen Autor und Text und dessen Werk.
Pasina hat noch nie einen Text komplett in Bilder umgesetzt – mit Ausnahme von Gedichten; sie greift eine Passage, eine Textstelle heraus, von der sie sich selbst angesprochen fühlt und von der sie meint, sie habe es verdient, nicht nur künstlerisch umgesetzt zu werden, sondern quasi „erleuchtet“ zu werden – in ihrer Umsetzung findet der Betrachter plötzlich interpretatorische Ansätze, auf die er beim reinen Lesen nie gekommen wäre.
Pasina eröffnet dem Leser einen neuen Zugang zum Text – über den Weg des Bildes.
Natürlich gibt es auch andere „Lesarten“ oder „Betrachtungswiesen“ ihrer Bilder. Man kann sie auch ohne den literarischen Hintergrund betrachten. Dann offenbart sich ihnen die Künstlerin selbst – mit ihrem unverwechselbaren Stil.
Pasina liebt die Farbe, bunt darf es sein – mal grell, mal aufdringlich, meist aber pastellartig, sanft und verspielt; Farben, die irgendwie unwirklich sind, so wie man manchmal Träume erlebt. Traumbilder eben – mal hyperrealistisch, mal seltsam verwischt und nicht greifbar.
Analog zu dieser phantastischen Farbenwelt begegnen wir in Pasinas Bildwelten auch immer wieder merkwürdigen Wesen, mythischen Gestalten, Zwitterwesen aus Mensch und Tier, symbolhaften Figuren, Fabelwesen und Dämonen… manches daran erinnert an die Wesen aus den Bildern des Niederländers Hieronymus Bosch.
Was sich dem Betrachter hier auftut, ist eine „verkehrte Welt“ – Pasina hält dem literarischen Text, der ihrem Bild zugrunde liegt, quasi den Spiegel vor – aber so etwas wie einen Zerrspiegel.
Denn der Betrachter kann die Bilder immer auch für sich – ohne literarische Vorkenntnisse – auf sich wirken lassen, er wird in Szenen hineingezogen, die traumhaft verrätselt wirken, nebulös, verschwommen, bisweilen surreal, als würde man in eine andere Welt hineingezogen, die Welt hinter dem Spiegel – denn es gibt nur selten Bilder, in denen man sofort – und ohne Vorkenntnis – das jeweilige literarische Vorbild erkennt.
Dafür ist der „Aha-Effekt“ um so größer, wenn man sich die Zeit nimmt, Textvorlage und Bild in Relation zueinander zu setzen. Dann fühlt man sich wie durch einen Sog direkt ins Geschehen hineingezogen und erinnert sich vielleicht selbst an Bilder im eigenen Kopf, die damals beim Lesen entstanden. Und man merkt plötzlich, dass jene Textstelle noch viel mehr an Deutung in sich trägt, als man für möglich hielt.
Das kommt auch daher, weil Pasina sich nicht damit begnügt, nur die jeweilige Textstelle, umzusetzen, sondern immer auch die Anspielungen, biografischen Hintergründen und Verweise des Autors mit einbezieht.
So werden ihre Bilder zu intertextuellen Ge-Bilden. Intertextualität bezeichnet in der Literaturwissenschaft die Bezugnahme eines Textes auf andere Texte; der Autor spielt mit Anspielungen oder Zitaten und verweist damit auf ein Beziehungsgeflecht zwischen seinem Text und dem anderer Autoren.
„Textum“ oder „textus“ bedeutet auf lateinisch übrigens „Geflecht, Gewebe“.
Auch Siri Pasina schafft mit ihren Bildern so ein Geflecht – sogar eines, das Literatur und Bildende Kunst virtuos miteinander verwebt.
Um Pasinas Arbeiten richtig genießen zu können – oder besser: das Geflecht aus Anspielungen entwirren zu können – , müssen Sie übrigens, liebe Kunstfreunde, sich für diese Ausstellung ein wenig Zeit nehmen: Die Künstlerin hat die jeweiligen Textstellen mitgebracht, damit man sie direkt im Zusammenhang mit der Bilderschau lesen kann.
Aber Sie haben die Wahl: Betrachten Sie die Bilder als Kunst an sich oder begeben Sie sich zusammen mit Siri Pasina, Johann Wolfgang von Goethe, Theodor Storm und Thomas Mann auf eine Reise durch Kunst und Literatur!
Ein kleiner Hinweis noch zum Schluss – rechts neben der Tür zur Küche hängen ein Katzen- und ein Menschenporträt. Sozusagen die andere Seite der Künstlerin – denn sie fertigt auch Porträts – auch als Auftragsarbeiten; und auch hier schaut sie immer hinter die äußere Fassade und erlaubt einen Blick auf die Seele der Porträtierten, so dass man den Porträtierten – oder sich selbst – aus einem ganz anderen Blickwinkel sieht.
Vielleicht hat ja der ein oder andere Interesse…
Ich wünsche Ihnen viele inspirierende Momente in dieser Ausstellung!
Haus Peters
Dörpstraat 16
25882 Tetenbüll
Tel.: 04862/681
Fax: 04862/103028
Öffnungszeiten:
Jan./Febr. nur Sa./So.: 14 – 18 Uhr
Sonst Di. – So.: 14 – 18 Uhr
Juni bis September: Di. – So.: 11 – 18 Uhr
Feiertage geöffnet außer Karfreitag, Heiligabend, Silvester
Gruppen und Führungen n.V. (1,50 € pro Person)
Eintritt frei
Infos unter
http://www.hauspeters.info
seidel.pellworm@t-online.de
ab 1.3.2012:
katrin.schaefer@k-a-t-i.de