Die aktuelle Schau des Noldemuseums liegt im Spannungsfeld von Emil Noldes Leben zwischen dem ländlichen, abgeschiedenen Seebüll im deutsch-dänischen Grenzland und der pulsierenden Metropole Berlin, in die es Nolde ab 1905 immer wieder zog.
Vom platten Land hinein in eine Welt der Cafés, Varietés, Cabarets und des Theaters: Allabendlich streifte er zum Beispiel im Winter 1910/11 mit seiner Frau Ada durch das Nachtleben der Großstadt und ließ sich zu einer großen Zahl von Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen inspirieren. „Ich zeichnete das Licht der Säle, den Oberflächenflitter, die Menschen alle, ob schlecht oder recht, ob Halbwelt oder ganz verdorben.“ Expressive Gesellschaftsstudien entstanden während dieser Zeit, genau beobachtet und porträtiert, mit all den Eigenarten der Berliner Bohéme mit ihrem schillernden Leben, das natürlich in starkem Kontrast zur Beschaulichkeit der nordfriesischen Lebensweise stand.
Aber genau dieser Kontrast macht den Reiz dieser Ausstellung aus: dort das Rausch- und Lasterhafte, hier die weite Marschlandschaft und die Macht der Elemente. Beide Seiten sind auf ihre Art wild, farbig und mit faszinierenden Reizen.
Vorgestellt wird in diesem Jahr auch eine eher unbekannte Seite des Künstlers, nämlich Emil Nolde als Zeichner. Dabei ging er mit Bleistift und Feder ebenso virtuos um wie mit dem Pinsel. Kleine Grotesken auf Zetteln oder Umschlägen, Porträts von Straßenkindern, Wirtshausszenen oder konzentrierte Studien des Berliner Nachtlebens vermitteln das Bild eines genialen Künstlers, der in erstaunlich vielen Techniken und Bildgrößen sicher „zuhause“ war.
Im Jahr 1913 brachen Emil und Ada Nolde zu einer „Medizinisch-Demographischen Expedition“ auf. Ihr Ziel: die Südsee. Über Russland und Japan führte ihr Weg auch durch China. Anlässlich des diesjährigen SHMF-Schwerpunkts „China“ werden in einer gesonderten Kabinettausstellung Noldes Dschunken- Aquarelle gezeigt. Immer wieder unternahm der Künstler Dampfbootfahrten auf dem Han-Fluss und dem Jangtsekiang und brachte wie „ein Besessener“ die exotische Welt der chinesischen Fischerboote, der Wasserspiegelungen und des bunten Lebens und Treibens aufs Papier.
Die Jahresausstellung umfasst insgesamt 140 Exponate und beleuchtet die unterschiedlichen Werkphasen. Auch diesmal sind wieder die „ungemalten Bilder“ aus Noldes Zeit des Malverbotes dabei sowie zwei erstmalig ausgestellte Ölgemälde mit ganz besonderem Reiz („Bergriesen“ 1895/96, „Geiz und der Satan“, 1919); außerdem die sogenannten „Bergpostkarten“, kleine Aquarelle mit humoristischem Akzent aus seiner frühen Fachlehrerzeit am Industrie- und Gewerbemuseum St. Gallen (1884-1888).
Auch wenn die Besucherzahlen leicht rückläufig waren, erwartet die Nolde-Stiftung in ihrem 56. Ausstellungsjahr in Seebüll bereits den viermillionsten Besucher.
Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm wie z.B. Bootstouren mit dem historischen Nolde-Boot, Führungen oder auch ein Nolde-Seminar mit Workshop runden die diesjährige Saison wieder harmonisch ab.
EMIL NOLDE – Der Maler zwischen Seebüll und Berlin / Kabinettausstellung „Der Zeichner Emil Nolde“
Nolde Stiftung Seebüll, 25927 Neukirchen
Telefon +49 (0)4664-98 39 30, Telefax +49 (0)4664-1475
info@nolde-stiftung.de
http://www.nolde-stiftung.de
Öffnungszeiten 2012:
Täglich 1. März bis 2. Dezember 10 – 18 Uhr
Eintrittspreise
Erwachsene: € 8,00
Schüler & Studenten: € 3,00
Nolde-Ticket (einmaliger Besuch in Seebüll und in der Dependance Berlin): € 14,00
Jahreskarte (für Seebüll und die Dependance Berlin, nicht übertragbar): € 30,00
Kombi-Ticket (in Kooperation mit dem Kunstmuseet i Tønder, Dänemark): € 10,00
Restaurant Seebüll, 25927 Neukirchen
Telefon +49 (0)4664-98 39 70, Telefax +49 (0)4664-98 39 729
restaurant@nolde-stiftung.de
Öffnungszeiten:
Im März: 9-19 Uhr / April bis Ende Oktober: 9-22 Uhr / Im November: 9-19 Uhr